Eigentlich
wollte ich im Blog erst wieder eine Geschichte veröffentlichen, wenn
wir ein neues Projekt im öffentlichen Raum installiert haben. Ein
Erlebnis zwingt mich jedoch jetzt zu einer Stellungnahme, die mir
sehr am Herzen liegt:
Am
18. Januar 2014 erhielt ich einen Anruf von Herrn Joseph Tabachnyk,
dem Kunsthandwerker, der die Willy-Brandt-Plastik in Nürnberg
konzipiert und realisiert hat. In dem etwa fünfzehnminütigen
Telefonat kam ich insgesamt zweimal zu Wort.
Nachdem
er mich aufgefordert hatte, die Wollinstallation am
Willy-Brandt-Platz zu entfernen, erhielt er unmissverständlich die
höfliche Antwort, dass wir sowieso schon beschlossen hätten die
Installation zu entfernen, da sie ihren Zweck erfüllt habe und ihr
Vandalismus und Wetter schon sehr zugesetzt haben.
Damit
wäre nach meiner Meinung innerhalb von zwei Minuten der Sachverhalt
zur beiderseitigen Zufriedenheit geklärt gewesen. Herr Tabachnyk
musste mir aber anschließend noch einen langatmigen Vortrag über
Menschenwürde halten und seine Missbilligung unserer seiner Meinung
nach "nur politisch" - was wäre daran schlimm? -
motivierten Aktion zum Ausdruck bringen, mich also wie ein kleines
Schulmädchen abmeiern. Sein Sermon gipfelte in juristischen
Drohungen und der ultimativen Forderung, dass die Installation noch
am selben Tag zu entfernen sei.
Nach
diesem für mich nach Inhalt und Ton verstörenden Vorfall gehen mir
einige Fragen durch den Kopf:
Wenn
jemand als Auftragsarbeit für gutes Geld aus Steuermitteln Kunst in
den öffentlichen Raum stellt, hat er dann das Recht anderen
verbieten zu wollen, sich mit der Person und dem Wirken des
Dargestellten konstruktiv auseinanderzusetzen, sofern man dabei das
Kunstwerk nicht beschädigt?
Hat
er das Recht, in einem freiheitlich demokratischen System anderen mit
seiner Macht zu drohen?
Hat
er das Recht, anderen sein subjektives Verständnis von Kunst im
öffentlichen Raum aufzwingen zu wollen und aus welcher Autorität
leitet es sich ab?
Hat
er das Recht, für die von ihm gewählte Kunstform alleinige
Gültigkeit zu beanspruchen?
Sollte
man von einem Künstler nicht mehr Toleranz im Umgang mit anderen
Ausdrucksformen erwarten?
Ist
eine Kunstform weniger wert, nur weil sie jahrhundertelang keine
Anerkennung gefunden hat, da sie dem „schwachen Geschlecht“
zugeschrieben wurde?
So
oft die Mitglieder unserer kleinen Truppe am Willy-Brandt-Platz
vorbeikommen, heben wir wie selbstverständlich um die Statue
herumliegenden Müll auf und entfernen wenn nötig aufgeklebten
Kaugummi von der Nase. Wir übernehmen so Verantwortung und suchen
ständig Menschen, die sich bereit erklären auf unsere Kunst zu
achten, damit sie nicht sofort dem extrem verbreiteten Vandalismus
zum Opfer fällt. Wir entfernen unsere Häkelgraffitis, sobald sie
unansehnlich geworden sind.
Bückt
sich auch Herr Tabachnyk und hebt den Abfall zu Willys Füßen auf
oder kratzt er den Kaugummi von „seinem“ Werk, um die Würde des
Dargestellten zu wahren?
Ich
bin frustriert und zutiefst enttäuscht von Menschen, die ein solches
Kunst-, Demokratie- und Selbstverständnis vertreten. In meiner Nase
riecht das muffig nach den eitlen gepuderten Hofkünstlern des 18.
Jahrhunderts, die für die Parks ihres Herrn und dessen Plaisier
possierliche dekorative Groteskfiguren ohne tieferen Sinn
anfertigten.
WIR
ABER SIND FREIE, UNABHÄNGIGE, SELBSTÄNDIG UND VERANTWORTUNGSVOLL
DENKENDE MENSCHEN IM 21. JAHRHUNDERT IN EINEM FREIEN LAND UND LASSEN
UNS WEDER DROHEN NOCH IN EINE SCHUBLADE STECKEN!